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reto steiner
sandro fiscalini







Der «Strichpunkt», das «Semikolon», setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Aus dem Strich und dem Punkt. Beide, Strich und Punkt, wurden in Mathematik, Philosophie und Kunstgeschichte vielfach beschrieben und analysiert. Ich möchte mich in der Folge von all den Überlegungen der grossen Denker lösen und eine neue Lesart beisteuern, die des Thuner «Strich-punktes».

Im Thuner Fall ist der Strich die Zeichnung, die Skizze, die Struktur – der Punkt, das Flächige, die Farbe, die Tiefe. Seit über zehn Jahren arbeiten Sandro Fiscalini (1971) und Reto Steiner (1970) auf dem weiten Gebiet der Comics zusammen, seit 1997 unter dem Namen Atelier «Strichpunkt». Sie haben das Atelier für «Comics & Illustrationen» gegründet, um der Verbreitung der neunten Kunst, des Comics, in der Schweiz Vorschub zu leisten. Zentrales Anliegen ist es, mittels Bildern Geschichten zu erzählen, zu bewegen und Emotionen zu wecken. Es ist die Lust beider, einzutauchen ins Universum von Kleinstgeschichten, es ist die Herausforderung, auf kleinstem Raum grosse Geschichten zu erzählen.

Fiscalini ist eher der «Strich», der Zeichner, dem leichthändig Figuren aus dem Griffel fliessen. Steiner, der «Punkt», hat ein untrügliches Gespür für Farben und deren Verwendung zur Erzeugung von Raum und Tiefe. Die Stories erarbeiten sie zusammen, bauen aus den unzähligen Ideen und Gedankenfragmenten ein Storyboard, einen Ablauf, zusammen. Dann trennen sich die Arbeitsschritte. Fiscalini beginnt, die Skizzen in fertige Zeichnungen umzuwandeln, worauf Steiner diese mit dem Aquarellierpinsel und verschiedenen Koloriertechniken bearbeitet, um den schwarzweissen Zeichnungen farbiges Leben einzuhauchen.
Ihre Arbeitsplätze liegen dicht nebeneinander, so dass dauernd der Dialog gesucht wird. Man kritisiert, «motzt» sich an, lobt, fragt um Rat, lacht. Die unterschiedlichen Charaktere ergänzen sich hervorragend in der Ateliergemeinschaft, was sich auch in den bisherigen Arbeiten widerspiegelt. Ihre Kurzgeschichten «Heisse Sohlen» (1997) und «Alles kommt anders» (1999) haben am Comicfestival «Fumetto» in Luzern je den begehrten Publikumspreis erhalten. Ihre Cartoons erscheinen Woche für Woche im «Thuner Tagblatts». Ihr bisheriges «Hauptwerk» ist aber zweifellos das im Jahre 2000 erschienene Album «Die Maske des Narren», das in ganz Europa für Lob und Anerkennung sorgte. Die eigenwillige Neuerzählung des alten Thuner «Fulehung»-Mythos vermochte nicht nur in Thun zu überzeugen, was der reissende Absatz der Bücher eindrücklich belegt.

Das Atelier «Strichpunkt» möchte sich ständig weiterentwickeln und versteht sich als Denkfabrik für kreative Umsetzungen mit Hilfe der Sprache des Comics. Die beiden Zeichner suchen nach neuen Herausforderungen und verfolgen hartnäckig ihre Vision einer Verankerung des Comics und damit einer breiteren Akzeptanz von «BUMM», «ZACK» oder «SNIEF». Immer wieder trennen sie sich, um an eigenen Projekten, wie etwa Cartoons, Werbung oder Kurzgeschichten, zu arbeiten, um dann wieder zusammen im Atelier neue, gemeinsame Projekte anzugehen. Wie langweilig sind doch der «Strich» oder der «Punkt» eingangs zitierter Denker, verglichen mit dem breiten Spektrum des Thuner «Strichs» und «Punkts»...

Bernhard Bischoff


 
atelier strichpunktdesign by nothing