home autoren album kurzgeschichten pressetexte auftragsarbeiten ausstellung kontakt / news
  autoren  
 


Berner Zeitung: LEBEN (Samstag, 23. September 2000)

Comic-duo Steiner/Fiscalini

Zwei auf «Fulehungs» düsteren Spuren

Der «Fulehung» ist ein Thuner Volksfest, vor allem aber eine Historie voller Mythen. Reto Steiner und Sandro Fiscalini haben daraus einen historischen Fantasy-Comic gemacht.

Franziska Egli

Hier Reto Steiner, da Sandro Fiscalini. Zwei auf dem Sofa - «wie ein Ehepaar» -, irgendwo im Thuner Selve-Areal, hoch oben in einem dieser riesigen Gewerberäume. Umhüllt von Didgeridoo-Klängen, so, als ob eine ganze Buschmannschaft und nicht nur ein winziger CD-Player im kargen Raum wäre. Schon ob dieser Irreführung will sich das Comic-Duo halb tot lachen. Besonders Fiscalini, der mit dem «Ich kann allem widerstehen, ausser der Versuchung»-T-Shirt. Sie funktionieren gut miteinander, die beiden, die heuer ihre zehnjährige Zusammenarbeit feiern könnten, wenn sie würden. Da ist die Idee vom Ehepaar nicht so fern. Auch, weil sie soeben ihr erstes Kind geboren haben. Eines mit Hardcover, mit 81 Seiten und buntem Innenleben: «Die Maske des Narren», mit dem die Zeichenlehrer, Comic-Zeichner und zweifachen Publikumssieger vom Luzerner Fumetto-Comicfestival drei Jahre schwanger gegangen sind. «Die Maske des Narren», das ist die Geschichte vom «Fulehung», einem maskierten, ungeheuerlichen Mann, der jeweils zum Herbstbeginn durch Thuns Gassen hetzt, Kinder jagt und von ihnen «Fulehung» johlend gejagt wird. Ein Stück Thuner Tradition, ein Volksfest. Vor allem aber eine Mythologie, eine Historie, ein Phänomen, über das niemand genau Bescheid weiss, was, wie, wo und warum. Auch die beiden Thuner Zeichner haben nicht herausfinden können, wer der «Fulehung» wirklich war, woher die Maske kam, wie dieser heidnische, mittelalterliche Brauch, diese Hetzjagd zu Stande kam. Cool. Schwarze Magie. «Man sagt, die Maske habe dem Hofnarren des Burgunderfürsten Karl des Kühnen gehört, der nach der Schlacht bei Murten anno 1476 nach Thun verschleppt worden sei», erzŠhlt der eine bei Zigarette und löslichem Kaffee aus dem Pappbecher. Als sie dann über die Mär gestolpert sind, dass Karl der Kühne gar nicht im Burgunderkrieg gestorben ist, sondern sich der schwarzen Magie verschrieben haben soll, war der Fall klar. «Cool», dachten die beiden, «Schwarze Magie, das gibt Action.» Die Geschichte gibt was her. Karl der Kühne? Klar, das wird der «Fulehung». «Eine Story», sagt der andere, ebenfalls mit Glimmstengel und bräunlicher Brühe, «zusammengewoben aus Facts und Fiction.» Da gehts in mittelalterliche Abgründe, runter in Katakomben, wos so morbid wird, da wird die Dramatik auf die Spitze getrieben. Alles ist unglaublich düster, alle sind - mit Ausnahme von den Kindern - ziemlich böse, sogar der Aegerter, der grossmäulig die Stadt vor dem Ungeheuer retten will. «So, wie wir uns das Mittelalter halt vorstellen», begründen sie das. Düster und dramatisch. Sie stehen auf solches, finden Filme wie «Braveheart» und Bücher wie «Herr der Ringe» schlicht geil. Und den französisch-belgischen Comic-Stil sowieso, mit dem sich solche Szenarien wunderbar umsetzen lassen. Dieser klare Zeichnungsstil, diese feine Kolorierung, diese stubtilen Details. Cool. Hitchcocks Stil und mehr als einmal grinste das Duo Ÿber den Wandel der Zeit. So beim Satz «Thun schickt seine Kinder als Büchsenfutter». Büchsenfutter. Schallendes Gelächter. Büchsenfutter! Damals gabs halt Büchsen, und noch keine Kanonen. Aber im Ernst: Die Arbeit, die war immens. Das war eine historische Lawine. Für die konkrete Idee brauchte es manch weinselige Nacht, fŸr die Recherche Historiker sowie Bücher, Bücher und nochmals Bücher. Über Alchimie, die germanische Mythologie, Burgunderkriege und Maskenwesen. Und überhaupt: Wie sah Thun damals aus? Wie die Fensterläden? Wie ein Trinkbecher? Wie hiessen die Menschen? Da ist von langen Nächten die Rede. Von Tagen mit sehnsüchtigen Blicken auf die Badi vis-à-vis. Von Inspiration durch gregorianische Gesänge. Und von Verewigung à la Alfred Hitchcock - ihrem Selbstbildnis im eigenen Werk. Cool, nicht? Als Fahnenträger. Wo? Selber suchen. Und das Gelächter Steiner-Fiscalinis, das ist noch im Lift zu hören. «Die Maske des Narren» von Reto Steiner und Sandro Fiscalini (Text: Guido Egli) kostet 35 Franken.
Info: www.atelier-strichpunkt.ch

 

 

 

 
atelier strichpunktdesign by nothing