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© Bund; 2000-09-25; Seite 33; Nummer 224

Der Bund, Kanton Bern Die Maske, ein uraltes heidnisches Relikt

Thun / Mit dem Comic «Die Maske des Narren» rankt sich seit gestern eine weitere Legende um die Entstehung des Fulehung. Die beiden Thuner Künstler Reto Steiner und Sandro Fiscalini erzŠhlen darin die bizarre Geschichte des Burgunderherzogs Karl des Kühnen, der versteckt hinter der Fulehung-Maske mit einem Heer wilder Krieger die Welt erobern will - was ihm auch fast gelungen wäre, wären da nicht die Kinder von Thun gewesen . . . adk

. In genau einer Woche rennt er wieder durch die Thuner Innenstadt, der Fulehung. Bewaffnet mit «Schit» und «Sšiblaatere» jagt der maskierte Narr eine Schar schreiender Kinder durch die engen Gassen. Hin und wieder muss er selber vor der grölenden Menschenmenge fliehen, sich verstecken in den dunklen Winkeln dieser Stadt. Eine skurrile Hetzjagd, von der heimischen Bevölkerung heiss geliebt, von auswärtigen Besuchern nicht selten mit Argwohn betrachtet. Doch warum der Fulehung in der (normalerweise) letzten Septemberwoche ausgerechnet in Thun sein Unwesen treibt, weiss niemand so genau. Glücklicherweise. Denn nur so entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Mythen, die den Auftritt der gehörnten Narrengestalt zur Tradition werden liessen. Und seit gestern rankt sich eine weitere Legende um die Entstehung des Fulehung. Die beiden Künstler Reto Steiner und Sandro Fiscalini haben in den Baumannhäusern am Mühleplatz ihre Version des Brauchtums präsentiert: Ein bizarres Comic aus dem tiefen Mittelalter. Steiner und Fiscalini, beide in Thun aufgewachsen und mit den Hieben des Fulehung bestens vertraut, beginnen ihre Erzählung im Winter 1477, als in Nancy der dritte und letzte Burgunderkrieg tobt. Entgegen der offiziellen Geschichtsschreibung lassen sie aber Karl den Kühnen nicht sterben. Der schwerverletzte Herzog wird stattdessen in ein Kloster gebracht, wo er auf den Bischof Barnabas trifft. Dieser unwürdige Gottesmann heckt einen finsteren Plan aus: Karl der Kühne soll als Harilo King das «Wilde Heer», die ewige Kriegerschar des Jenseits, anführen und damit die Welt erobern. Bischof Barnabas soll dann zum Oberhaupt der Kirche ernannt werden. Um als Anführer der wilden Krieger unsterblich zu sein, übergibt ihm Barnabas die Maske des Fulehungs, ein «uraltes heidnisches Relikt». Die Hetzjagd der Kinder Harilo King beginnt seinen Eroberungsfeldzug in der Grafschaft Thun. Im Schatten gewaltiger Gewitterstürme fegt er Ÿber die Stadt am Fuss der Berner Alpen und legt sie in Schutt und Asche. Die in Nancy noch tapfer kämpfenden Thuner, können gegen die unsterblichen Krieger nichts ausrichten. Hunger und Armut breiten sich aus. Harilo King dagegen zieht mit seiner Kriegerschar immer weiter, eine Spur der Verwüstung Ÿber den Globus ziehend. Nicht einmal Bischof Barnabas kann ihn von seiner Zerstörungslust abbringen. Barnabas sucht daraufhin die Thunerinnen und Thuner auf und verrät ihnen, wie der gehörnte Krieger zu stoppen sei. Dieser zweite Plan ist fast so finster und teuflisch wie der erste. Doch den Bewohnern der Grafschaft Thun bleibt nichts anderes übrig, sie müssen ihre Kinder gegen Harilo King in den Kampf schicken. Mit Erfolg: Die geballte Kraft ihrer Unschuld lässt das Geisterheer verschwinden. Übrig bleibt allein der Mann im Narrenkostüm. Ohne zu zögern jagen ihn die Kinder durch die Gassen - bis er tot umfällt. «Die Maske des Narren», der Comic von Reto Steiner (Farben), Sandro Fiscalini (Zeichnungen) und Guido Egli (Text) ist im Buchhandel erhŠltich. Das vierfarbige, im Verlies Verlag Thun erschienene Werk kostet 35 Franken.

 

 

 

 
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