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Berner Zeitung
Freitag.18 September 1998
Sandro
Fiscalini und Reto Steiner haben
den «Fulehung» als Comic neu erfunden
Durch
eine mysteriöse Narren-Maske haben sich zwei Thuner Comic-Zeichner
zu ihrer neuen Story inspirieren lassen. Es ist die Maske
des Fulehung, der bald wieder durch Thuns Gassen jagen wird.
Reto Steiner und Sandro Fiscalini sind unerreichbar. Telefonisch.
Ihr Atelier auf dem Thuner Selve-Areal ist nicht verkabelt.
Es liegt im vierten Stock, Aufzug gibt es keinen. «Diese
Abgeschiedenheit fördert die Konzentration» meint
Sandro Fiscalini. Hier brüten die beiden Comic-Zeichner
schon seit eineinhalb Jahren über ihrem aktuellen Projekt:
«Die Maske des Narren» heisst der Arbeitstitel
ihrer Mittelalter-Fantasy-Story, die mitten in Thun spielt.
Stolze 90 Seiten dick soll das Opus werden, voll mit Schlachten,
dunklen Geheimnissen, Intrigen, Magie und bunter Fantasie.
Fantasie?
Nicht nur. In die Geschichte um den Burgunderfürsten
Karl der Kühne sind viele historische Ingredienzen eingeflossen,
die überdies mit dem Brauchtum der Stadt Thun aufs Engste
verknüpft sind. «Angefangen hat alles mit einem
Museumsbesuch im Schloss Thun», erzählt Reto Steiner.
Dort sah der gebürtige Thuner ein Exponat, das er seit
seiner Kindheit kennt: die «Fulehung»-Maske. Diese
Maske spielt eine wichtige Rolle beim «Ausschiesset»,
dem grössten Thuner Volksfest, das Ende September erneut
über die Bühne gehen wird.
Eisernes
Narrengesicht
«Als Kinder», so Reto Steiner weiter, «sind
wir früher während dem Fulehung-Fest hinter dem
Maskierten hergerannt. Doch nun, im Museum, betrachtete ich
die Maske zum ersten Mal genauer. Die schmerzverzerrten Züge
dieses Gesichts faszinierten mich, und ich überlegte,
welche Geschichte diese Maske haben könnte».Gemäss
der Legende ist die metallene, mit Hörnern und Ziegenfell-Haaren
versehene Larve Bestandteil der Beute aus den Burgunderkriegen
der Jahre 1476/77. Dem Hofnarr Karls des Kühnen soll
sie gehört haben, den ersteren die Eidgenossen nach ihrem
Sieg in Murten über die Burgunder angeblich nach Thun
verschleppt hatten. Historisch gesichert ist jedoch weder
diese noch die zahlreichen anderen Versionen zur Herkunft
des eisernen Narrengesichts.
Neue
Sage - als Comic
«Der Fulehung ist eine Sagengestalt und Sagen werden
von Menschen geschaffen. Warum sollen wir also diese Sage
nicht einfach neu erfinden?» fragt Sandro Fiscalini.
Gesagt gezeichnet. Nach wochenlangen Recherchen in alten Handschriften
und Chroniken hatten die beiden Comic-Künstler den Plot
beieinander. «Unsere Geschichte spielt 1477, im Jahr
als Karl der Kühne in der Schlacht bei Nancy von den
Eidgenossen getötet wurde. Aber in unserer Story lebt
er weiter - und startet seinen Rachefeldzug in Thun».
Fiscalini und Steiner sind ein altbewährtes Comic-Team.
Die beiden 28-jährigen Zeichnungslehrer arbeiten schon
seit der gemeinsamen Schulzeit am Lehrerseminar Thun zusammen.
Dort ist auch ihre erste Arbeit entstanden, ein aufwendiger
4-Seiten-Comic, zu desssen Herstellung sich das Duo während
21 Tagen Frühlingsferien samt Schlafsäcken im Zeichnungszimmer
des Schulhauses verbarikadierte. Mit dem Debüt kam gleich
der erste Erfolg, eine Einladung ans Comic-Festival Luzern,
dem wichtigsten Comic Forum der Schweiz. Das macht Lust auf
mehr. Zahlreiche Ausstellungen, auch internationale, sind
seither gefolgt, der Kulturförderpreis des Bankvereins
und der Publikumspreis des Comic-Festivals Luzern 1997 verraten
breite Anerkennung. Nun soll, nach vielen kürzeren Arbeiten,
mit der «Maske des Narren» erstmals ein ganzes
Album realisiert werden. Ein Wagnis-denn der Comic-Markt ist
übersättigt .
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