Neue Luzerner Zeitung
Mittwoch, 28. April 1999 Nr.97
Der
ganz normale Wahnsinn
Der
Publikumssieger am Luzerner Comix-Fesival: Ein Penner in der
Beiz am Glückspielautomaten. Drei gleiche Symbole, drei
Kirschen, durchgedrehte Freude. Aber es kommt anders.
Der «Chriesi» Comic stach dem Publikum am achten
Luzerner Comix-Festival förmlich ins Auge. Offenbar.
Von der Jury aus 466 zum diesjährigen Thema «wahnsinnig»
eingesandten Arbeiten für die 45 Werke umfassende Wettbewerbsausstellung
selektioniert, machte der «Alles kommt anders»
betitelte Comic des Thuner Teams Sandro Fiscalini und Reto
Steiner beim Publikum ganz klar das Rennen. Mit deutlichem
Abstand. Von den 31 000 Besucherinnen und Besucher fällten
rund 2000 einen Stimmzettel aus, wovon fast ein Viertel -
mit gut 200 Stimmen Vorsprung auf den Zweitfavorisierten -
eben auf «Alles kommt anders» entfiel.
Grosse
Freude beim 28 jährigen Sandro Fiscalini und seinem um
ein Jahr älteren Partner Reto Steiner. Anders als bei
ihrem Penner im Comic spuckt ihr Glück gutes Geld. Mit
500 Franken ist der Publikumspreis der «Neuen Luzerner
Zeitung» dotiert und mit der Veröffentlichung des
Siegercomics in dieser Zeitung. Die 500 Franken kommen dem
Team Fiscalini-Steiner gerade sehr gelegen. Seit über
einem Jahr arbeiten die beiden Zeichner intensiv an ihrem
ersten Comic-Band, der im Herbst 2000 im Vertrieb der Zürcher
Edition-Moderne erscheinen wird. Unter dem Titel die «Maske
des Narren» erzählen sie die Geschichte aus der
Zeit der Burgunderkriege mit Thuner Lokalbezug. Um den mit
der Realisation eines Comic-Albums immensen Arbeitsaufwand
zu bewältigen, haben Sandro Fiscalini und Reto Steiner
eigens ihre Berufspensen reduziert; beide sind ausgebildete
Zeichnungslehrer und unterrichten an Thuner Schulen.
Mit der
Veröffentlichung eines ersten Bandes ist dann Schluss
mit der Teilnahme an dem zur Nachwuchsförderung gedachten
Wettbewerb des Luzerner Comix-Festivals. «Das ist zwar
schade», bedauert Sandro Fiscalini, «gerade weil
das Luzerner Festival uns sehr viel gebracht hat. Ohne dieses
Festival wären wir möglicherweise weniger zum Weitermachen
motiviert.» Bereits am ersten Luzerner Comic-Festival
von 1992 machten Reto Steiner und Sandro Fiscalini mit. Damals
winkte das Glück zwar noch nicht, aber 1997 dann holten
sie sich zum Thema «Kriminaltango» schon einmal
den Publikumspreis. «Dass wir gerade beim Publikum so
gut ankommen, erfüllt uns mit grossen Hoffnungen»,
tippt Sandro Fiscalini beruflich auf mögliche neue Zukunftsperspektiven.
Für gelegentliche Cartoons in der Thuner Lokalpresse
hat's schon mal gereicht.
«Wir
sind sozusagen mit Comics aufgewachsen», erklärt
Reto Steiner seine Passion, «wir verschlangen alles,
mit Vorliebe aber die belgisch / französichen Comics».Der
starke Einfluss des von Hergé begründeten «Ligne
Claire»-Stils ist denn auch im Schaffen der beiden Thuner
nicht zu übersehen. Hingegen ungewöhnlich ist ihr Vorgehen
im Team. In der Regel ist der eine der Zeichner, der andere
fürs Szenario zuständig.
Sandro
Fiscalini und Reto Steiner indes entwickeln alles gemeinsam,
zuerst das Szenario, danach die Ausführung, wobei Reto
Steiner die Vorlagen coloriert und Sandro Fiscalini mit Tuschfeder
und Bleistift die Zeichnungen anfertigt.
Auf die
weiteren Werke dieses Duo darf man gespannt sein.
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